Die heilende Zunft
Manche Menschen sollten ihre Berufswahl gut überdenken. Wissen und Können allein hilft nicht immer. Besonders bei den Berufen, die viel Empathie und Sensibilität verlangen. Dabei denke ich spontan an Ärzte. An dieser Stelle möchte ich meine Erlebnisse gern mit Ihnen, mit Euch teilen.
Akute Zahnschmerzen zwangen mich zum Zahnarztbesuch. An dieser Stelle oute ich mich: Ich gehe nur dann zu Ärzten, wenn´s brennt. Dieser Fall war jetzt eingetroffen. Auf Empfehlung von Tanten und Onkel sowie guter Bekannter des Verwandten-Clans suchte ich den Zahnarzt ihres Vertrauens auf, weil mein langjähriger Arzt seine wohlverdiente Rente genoss. Schon beim Betreten des Behandlungszimmers überkam mich ein mulmiges Gefühl, das sich noch verstärkte, als ich mich notgedrungen auf den Marterstuhl setzte. Meine schweißnasse Händen krallen sich am Sitz fest, während ich mein Herz laut aus dem Hals pochen hörte. Dann rauschte der mir bis dahin unbekannte Doc herein und baute sich vor mir auf. Mein ohnehin schon klammes Gefühl verstärkte sich um ein Vielfaches. Aus lauter Not bat ich ihn um eine Betäubung, nachdem er mich kurz und knapp von seiner Behandlung informiert hatte. „Wir wollen mal keinen davon machen“, war seine schmale Antwort, bevor er ungerührt seinen Bohrhammer schwang … Natürlich habe ich die Behandlung überlebt. Doch dieser Zahnarzt malträtierte mich nie wieder.
„Ich fasse es nicht“, meinte meine Team-Kollegin kopfschüttelnd beim gemeinsamen Frühstück in unserer Pantry und stöhnte. „Na dann, schieß´ los. Ich bin ganz Ohr“ erwiderte ich und war gespannt. „Mein Doc, leider im Urlaub, und gerade jetzt habe ich sie wieder, diese verflixten Rückenprobleme, kann schlecht schlafen und mein Magen grummelt“, seufzte sie. Meine ohnehin schlanke Kollegin schien auch abgenommen zu haben und wirkte blass. „Also bin ich zu seiner Vertretung. Während ich ihm von meinen Problemen erzählte, tippte er ungerührt in seinen PC und“ „manche Ärzte sollen zuhören und gleichzeitig Notizen machen können“ warf ich schmunzelnd ein. „Dieser nicht“ Eva tippte sich an die Stirn. „Unvermittelt sprang er auf und meinte – hör´gut zu: Wörtlich: Er müsse mal wieder arbeiten … worauf ich – zum Glück war ich wenigstens dieses eine Mal schlagfertig – erwiderte: „Was machen Sie denn hier? Dies ist Ihre Arbeit!“ …
Da geht noch was: Der aktuelle Hausarzt meiner Mutter lehnte meine wichtige Bitte kategorisch ab. Er war Nachfolger unseres allseits beliebten Landarztes, der sich aus dem Praxisleben zurückzog. Was nicht nur ich sehr bedauerte. Schon beim ersten Betreten der Praxis und `Kennenlernen der neuen Mannschaft´ zog sich mein Magen zusammen. Die Atmosphäre war chaotisch und kalt. Klar, man kann keine Wohnzimmeratmosphäre erwarten, aber gerade in solch´ sensiblen Bereich spielt Sympathie eine nicht unwesentliche Rolle. Ich hab´ ihn genau vor Augen: Locker stand er hinter dem Tresen seiner Assistentinnen und meinte: „Ich kann mich auch nicht totarbeiten“ … Das waren seine letzten Worte … die ich von ihm gehört habe – und diese reichten mir – vollkommen.
Dieser Doc sieht mich nie wieder!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen