"I bin hi". Ein tiefes Seufzen drang an ihr Ohr. Wie jeden Abend vor dem Schlafengehen telefonierten die beiden. "Hallo, mein Schatz. Dir auch einen guten Abend", lachte Britta. Nach etlichen Monaten Fernbeziehung wusste sie ihren Liebsten zu nehmen, nur allzu genau kannte sie inzwischen seine Marotten auf seine Befindlichkeit. Deshalb sah sie auch locker über manche dramatische Äußerung von ihm hinweg. "War was Besonderes ?" Sie kuschelte sich gemütlich in ihre Decken und zupfte sich das Kissen im Rücken zurecht, wohl wissend, dass die Gespräche mit ihrem Liebsten zu endlosen Telefonaten wurden. Die Uhr zeigte fast Mitternacht. Britta und Benedikt lebten eine Fernbeziehung. Er lebte einige hundert Kilometer entfernt in München, während sie weiterhin in ihrer ostwestfälischen Heimatstadt einem gut dotieren Job nachging. "I bin oafach grod miad, kaputt und fui mi totoi gstresst ... bei den nervign Leidn, übahabt koa Wunda". Benedikt verfiel immer, wenn er total gestresst war, ins tiefste Bayerisch. "Müde, kann ich verstehen, schau` mal auf die Uhr !"
"Dro aloa liagt`s ned. Ma liagn aa de privadn Vapflichtunga im Mong, wenn i grod dro denke ...". Er spielte auf einige festliche Anlässe in seiner Verwandtschaft an. Seine Stimme klang sorgenvoll. "Da Geburtsdog, da 40. vo Johanna, dann die Einschulungsfeia vo Vroni und Max und ..." "vergiss nicht die Goldhochzeit Deiner Eltern", erinnerte Britta ihren Schatz. "Und olle de Termine in geboita Foam", fügte er hinzu, als wolle er sich entschuldigen. "Wenn`s wengstens grod oana waarad ..." "Geballt ? Entschuldige mal. Sie liegen innerhalb von zwei Monaten ... Du hast jede Menge Verschnaufpausen dazwischen !" Britta rückte die Fakten zurecht und sprach Klartext. Hin und wieder musste das sein ... "Mein Lieber, Du bist erst ..." "leida scho 46 ...", stöhnte er leise in die Leitung. "Du hast keine Verpflichtungen, die Dich umtreiben. Weder Probleme mit Deiner Ex noch mit irgendwelchen Kindern. Ihr wart nur zu zweit. Weißt Du überhaupt, was es heißt, Kinder zu haben ?" Unbeabsichtigt wurde ihr Ton etwas schärfer. Bei diesen Worten dachte sie an unschöne Auseinandersetzungen mit dem Erzeuger ihrer pubertierenden Kinder. "Außerdem hast Du weder Haus noch Garten, wofür Du verantwortlich sein könntest. Nicht einmal für die Organisation Eurer Familien-Feiern. Du hast es mir neulich selbst gesagt. Also, Du bist "nur" Gast und kannst die Events genießen !" Minutenlang herrschte Schweigen. Von beiden Seiten. "I fui mi aba madt. Und übalege, a Kur ozutredn ... um am drohendn Burnout voazubeign". Britta fühlte sich zunehmend genervt. "Du tust gerade so, als ginge morgen die Welt unter ". Sie konnte nicht umhin, ihm sein recht angenehmes Leben vorzuhalten. "Außerdem mua i no genau in da Zeid de Kasse prüfa ..." Damit meinte er seine ehrenamtliche Tätigkeit im Vorstand des örtlichen Schützenvereins. Britta rollte mit den Augen. "Wenn Dir das alles zuviel ist, warum hast Du das Amt dann überhaupt angenommen ?" Langsam ging ihr die Geduld aus. Es war still in der Leitung. Benedikt schien nachzudenken. "Moanst Du, eh ..." offensichtlich rang er nach den richtigen Worten "ma kannt si bei oana Kur "oonym" omeldn ? druckste er herum. "Anonym ?" Sie war perplex. "Jo i meine so wos wia a Pseidonym". Er schien erleichtert, während ihr am anderen Ende fast der Hörer aus der Hand fiel. "Warum denn das ? Du hast doch keinen Promi-Status". Entsetzt schüttelte sie den Kopf. "Nicht einmal "1c", konnte sie sich nicht versagen, zu ergänzen und verkniff sich ein Lachen. "I bin ned grod den Koiegn, sondern aa nervign Biagan, de olle Nasn lang Auskünfte hom woin oda ihrn Frust oblon woin, bekannt wia "a bunta Hund". Bei den letzten Worten gewann seine Stimme wieder die gewohnte Festigkeit. Britta schluckte.
Sie konnte seine Überlegungen beim besten Willen nicht nachvollziehen. Benedikt war im Finanzamt seiner Heimatstadt tätig ... Im - äußerst stressigen Innendienst ...
*LAP = Lebensabschnittspartner
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