Mediziner sollten ihrer Berufwahl kritisch gegenüber stehen. In zweierlei Hinsicht. Nicht nur dem Umgang mit den Leidenden, die ihnen anvertraut werden, sondern auch manchen (unvermeidlichen) Hausbesuchen kommt große Bedeutung zu.
"Hätte ich das voraus geahnt, was wäre mir erspart geblieben !". Isa legte die Handflächen aneinander und schickte ein Stoßgebet nach oben. Seufzend. Sie war die Mutter eines Klassenkameraden meiner Tochter. Bei einigen Elternabenden saßen wir zusammen und lernten uns näher kennen. Gesprächsstoff hatten wir jede Menge. Sie war Klassenpflegschafts-Vorsitzende in der Klasse ihrer jüngeren Tochter, engagierte sich ehrenamtlich und mischte in den Verwaltungen einiger Vereine mit. Zufällig trafen wir uns in der Stadt vor dem kleinen Laden in der Hauptfußgängerzone. Ich hatte meinen Einkauf gerade erledigt, während sie energisch auf den Eingang zusteuerte. "Was ist denn passiert ? Das klingt hochdramatisch", meinte ich gespannt.
"Neulich ist Hans-Peter aus heiterem Himmel umgekippt". "Oh je", ich schauderte. Isa gab mir wenig Zeit zum Luft holen geschweige denn Nachfragen. Das war aber auch vollkommen unnötig; denn sie erzählte munter drauflos und klärte mich lückenlos auf. "Halb so schlimm - er ist mir geblieben", lachte sie "aber die äußeren Umstände ... Natürlich habe ich sofort den Doc angerufen. Keine Viertelstunde später trudelte er ein. Schnaufend wälzte er seinen massigen Körper auf den dahin siechenden Hans-Peter zu, als plötzlich ein ratschendes Geräusch die gespenstische Stille durchschnitt. "Ich vollkommen hilflos, starrte gebannt auf den Doc, Hans-Peter weggetreten und dann das ..."Och, mir ist die Stange abgegangen", waren seine ersten Worte. Ihm schien das peinlich zu sein". Trotz der ernsten Situation musste ich spontan auflachen. "Der Doc ist ein Mann wie ein Schrank. Groß und breit. Der wiegt mindestens 120 KG", schätze Isa und grinste. "Vermutlich hatte er nur den halbtoten Patienten vor Augen, als er über den Gardinentuff baselte, den ich am Boden drapiert hatte. Scheinbar hat er den übersehen und trampelte voll darauf. Und hat sich festgetreten. Allerdings sind die Gänge neben unseren Betten auch ziemlich schmal", erklärte sie. "Dabei hat sich die Gardinenstange halb aus ihrer Verankerung gelöst." "Und Deinem Mann geht `s wieder ?" Isa nickte. "Er war nur kurzzeitig weggetreten. Wahrscheinlich hat ihn die laute ärztliche Demontage wieder zurückgeholt", unkte sie erheitert.
"Jedenfalls war meine schöne Freihanddekoration dahin; deshalb bin ich auf dem Weg wegen Schadensbegrenzung", grinsend deutete sie auf das Geschäft für Gardinen, Zubehör und feine Stoffe. "Bevor das nächste Mal einer von uns umkippt, legen wir uns vorsichtshalber in das andere Bett. Daneben ist nur eine schlichte Wand und der Doc kann nichts demontieren". Isa hatte längst ihren Humor wiedergefunden.
Liebes Lesepublikum: Beachten Sie (auch) das Risiko einer ärztlichen Visite in Ihrem Heim ! Bevor Sie den Arzt Ihres Vertrauens um einen Hausbesuch bitten, bringen Sie bitte ihren gesamten Hausstand in Sicherheit ...
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